15.04.2009

Levrat: "Wir wollen Parteispenden von Banken verbieten"

sp-schweiz präsident christian levrat (im interview) über parteispenden, über 10'000 franken, die jede bundesratspartei von der mobiliar bekommt, über bundesrätin doris leuthard, die nur auf kritik schnell reagiert, über seine web 2.0 aktivitäten

fact 1: heute tagen die aktionäre der ubs. oswald grübel, ex-mister-abzocker der schweiz, neu ubs-chef, wird massenentlassungen bekannt geben. so wird zumindest vermutet, was bereits gestern zu einem deutlichen kursanstieg der ubs-aktien führte.
fact 2: die ubs erhielt von uns steuerzahlern (staat und nationalbank) 68 milliarden schweizer franken als finanzspritze. .
fact 3: ubs und cs zahlen der fdp, cvp und svp je etwa eine halbe million schweizer franken pro jahr. parteispenden müssen in der schweiz noch nicht offengelegt werden.
fact 4: wenn die ubs bürgerliche parteien grosszügig "sponsert", um nicht "schmiert" sagen zu müssen, so zahlen wir dies mit (wir alle, die in der schweiz steuern zahlen). .
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grund genug, den ubs-aktionär (sp hat eine aktie) und sp-parteipräsidenten christian levrat zu diesen parteispenden zu befragen.

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Lupe: Christian, vor kurzem konnte man lesen, dass die bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP pro Jahr je etwa 500'000 Franken von der UBS und CS erhalten. Wie viel erhält die SP von den beiden Banken?
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Levrat: Keinen einzigen Franken! Dabei habe ich doch auch ein Konto bei der UBS… Aber ernsthaft: Aus finanzieller Sicht ist es natürlich bedauerlich, dass wir keine Bankbeiträge erhalten; dennoch können wir uns so unsere vollständige Unabhängigkeit wahren, die mir doch wesentlich wichtiger ist als die Parteifinanzierung durch eine Grossbank. Die finanzielle Abhängigkeit der begünstigten ParlamentarierInnen von diesen Instituten verhindert die nötige Distanz, wenn über allfällige Rettungsaktionen entschieden werden muss.
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Lupe: Habt ihr die UBS oder CS mal darauf angesprochen, wie viel sie den Bürgerlichen spenden oder nach welchen Kriterien sie spenden?
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Levrat: Ja. Aber die Parteispenden der Banken werden hierzulande extrem diskret behandelt. Da wird das Bankgeheimnis auf die Spitze getrieben. Die Kriterien hingegen sind klar: Die Banken finanzieren jene Parteien, die deren Interessen ohne Widerspruch vertreten und das sind logischerweise FDP, SVP und CVP. Die Banken kontrollieren das Abstimmungsverhalten dieser Parteien und bestimmen dann offenbar die Höhe der Ausschüttung anhand der Entscheide im Interesse der Bank.
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Lupe: Wenn die UBS weiterhin den bürgerlichen Parteien Geld spendet, so sind wir Steuerzahler doch die, die diese Spenden durch die Milliardenhilfe des Staates an die UBS mitfinanzieren. Könnt ihr dies nicht verhindern?
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Levrat: Genau dies ärgert mich auch und die SP hat die Parteifinanzierung stets kritisiert. Im vergangenen Herbst, als die Bundessubvention an die UBS nötig wurde, haben wir die bürgerlichen Parteichefs aufgefordert, den Betrag zurückzuzahlen. (Siehe: Zahlt Banken-Spenden zurück!)
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Lupe: Angenommen, eine Volksinitiative, die verlangt, dass man Parteispenden ab 5000.- offen legen müsste, hätte Erfolg. Wie viele Spender hätte die SP, die darüber liegen.
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Levrat: Das Aufkommen der Spenden ist naturgemäss sehr schwankend. Im letzten Jahr hatten wir fünf private Spenden in dieser Höhe. Aus der Wirtschaft erhält die SP – wie alle anderen Bundesratsparteien auch – für die politische Arbeit 10'000 Franken von der Mobiliar-Versicherung. Und die SP-Bundesratsmitglieder, die BundesrichterInnen und die SP-Regierungsratsmitglieder bezahlen einen jährlichen Mandatsbeitrag.
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Lupe: Warum startet die SP keine solche Volksinitiative? Die würde mit Sicherheit in der Bevölkerung angenommen und die bürgerlichen Parteien finanziell in Bedrängnis bringen.
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Levrat: Solche Überlegungen sind tatsächlich im Gange. Wir beschreiten allerdings vorderhand den parlamentarischen Weg und versuchen, die Bankspenden an die Parteien zu verbieten. Absolut unabdingbar ist dies für die Dauer einer Bundessubvention zu Gunsten eines Instituts, wie dies im Moment bei der UBS der Fall ist.
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Lupe: „Sie sind vor kurzem unserer Wirtschaftsministerin Doris Leuthard auf die Füsse getreten, indem sie ihr Untätigkeit im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise vorgeworfen haben. In der Samstags - Ausgabe von Le Matin schlug sie zurück: Levrat würde auf eine unverantwortliche Art und Weise ein Klima der Angst verbreiten, wenn er von drohenden Massenunruhen wie in Griechenland spreche. Warum werfen sie ihr Untätigkeit vor? Zumindest auf ihre Kritik hat sie doch schnell reagiert.“
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Levrat: Damit hat’s sich dann aber auch schon mit ihrem Aktivismus. So lange Bundesrätin Leuthard Brandstiftung vorwirft, wenn Wahrheit angesprochen wird, verkennt sie die Probleme. Es bräuchte wesentlich mehr: Keine Beruhigungspillen und kein Placebo, sondern den Mut, selber die Diskussion zu suchen und echte Massnahmen auszuarbeiten. Es ist mir nicht klar, worauf Doris Leuthard noch wartet: Täglich werden 200 Menschen neu arbeitslos. Bis Weihnachten werden es insgesamt rund 60‘000 Arbeitslose zusätzlich sein.
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Lupe: Noch eine letzte Frage. Wie nutzt der SP-Parteipräsident das Web 2.0 und wie viel Zeit pro Tag verbringt er im Netz.
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Levrat: Ich aktualisiere regelmässig meine eigene Website. Daneben pflege ich mein Profil auf Facebook. Das geht aber rasch und dauert vielleicht drei bis fünf Minuten täglich. Ich habe diese Möglichkeit vor allem während des US-Wahlkampfs entdeckt. Damals wurden solche virtuellen Netze erstmals sehr direkt mit der politischen Arbeit verbunden. Zum Beispiel zur Koordination und Bekanntmachung von Strassenaktionen. Und tatsächlich: Facebook ermöglicht eine sehr schnelle Mobilisierung. Ich habe im Zusammenhang mit den UBS-Boni bei Facebook eine eigene Gruppe eröffnet, die innerhalb von 24 Stunden 3'000 Mitglieder vernetzte. Ich rief dazu auf, dem Finanzminister einen Brief zu schreiben und sehr viele folgten diesem Aufruf.
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Lupe: Herzlichen Dank, Christian, für dieses Gespräch.
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Das thema parteispenden wird weiter zu reden geben. es kann durchaus sein, dass nächstens eine volksinitiative gestartet wird, die verlangt, dass parteispenden ab einem gewissen betrag offengelegt werden müssen. vorabklärungen sind im gange. ich halte euch auf dem laufenden. wenn ihr bei solch einer aktion mitmachen würdet (im internet, auf eurem blog oder auf der strasse beim sammeln, meldet euch bei mir: lupe--ät--gmx.ch
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nachtrag: 5.6.09: Alles zum Thema "Parteispenden offenlegen" (Hintergründe, Ist-Zustand, Aktionen etc.)
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mehr zum thema parteispenden hier:
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satire-interviews auf dem lupe-blog:

5 Kommentare:

flöschen hat gesagt…

Tolles Interview mit Christian. Wie auch immer du dazu gekommen bist… ;-)

Daniel hat gesagt…

Der Parteispendenskandal zerstört unsere Demokratie. Jetzt gibt's eine Facebook-Gruppe, die sich für die Offenlegung der Parteispenden einsetzt. Mitmachen: http://www.facebook.com/group.php?gid=82784034035

lupe hat gesagt…

was soll da heissen, "wie auch immer du dazu gekommen bist?"
steht ja "satirefrei" oben

ernsthaft: ich habe ihn bei einem treffen darauf angesprochen und ihm dann ein paar fragen per email zugestellt. die antworten kamen, ich gab ihm das interview zum gegenlesen und so hatte es sich.

flöschen hat gesagt…

@ Lupe: War nicht böse gemeint. Ich wollte damit (etwas ungeschickt halt) ausdrücken, dass ich es erstaunlich finde, wenn Levrat mit einem Blogger ein Interview macht - aber schön zu hören, dass die neuen Medien auch bei ihm angekommen sind.

lupe hat gesagt…

at flöschen: hatte ich auch nicht als böse aufgefasst. denn bei satire-bloggern weiss man ja eh nie so ganz ... :-)

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