03.10.2008

Palin vs. Biden (Video und Analyse des TV-Duells)

oder
"wie man durch training und auswendiglernen ein tv-duell besteht"
ein paar bemerkungen zum vergangenen tv-duell anhand des live-tickers von spiegel-online:
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wie geben kandidaten wählern die hand? wie begrüssen sich kandidaten in wahlkämpfen? man vereinnahmt den gegenüber, indem man dessen hand mit beiden eigenen händen fest umschliesst. nur, wenn dies beide tun, ...
+++ Los geht's +++
[3.00 Uhr] Gwen Ifill erklärt kurz die strengen Regeln und Zeitlimits. Die beiden Vize-Bewerber werden von den Zuschauern im Saal mit begeistertem Beifall begrüßt, später sollen sie sich zurückhalten. Palin erschient im schwarzen Kleid, Biden trägt dunklen Anzug mit hellblauer Krawatte. Beide tragen die US-Flagge als Anstecker am Revers. Die Begrüßung ist herzlich: Handshake, Höflichkeitsfloskeln, beide legen die linke Hand auf den rechten Arm des anderen. Palin wirkt nervös, aber charmant und offensiv. "Schön Sie zu treffen", sagt sie. "Ich darf doch Joe sagen, oder?"
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als demokratischer bewerber würde ich an diesem abend auf keinen fall die attraktive, viel jüngere republikanische kandidatin angreifen. dies würde schulmeisterisch und überheblich wirken. also stellvertretend mccain angreifen. beim thema finanzkrise auf jeden fall mccain's aussage "the fundamentals of our economy are strong" erwähnen:
+++ Die Wirtschaft ist das erste Thema : Es geht um die Finanzkrise +++
[3.05 Uhr] Die Finanzkrise sei der Beleg dafür, dass die USA zuletzt unter der "schlimmsten Wirtschaftspolitik" litten, "die wir je hatten", sagt Biden. Dass John McCain noch vor kurzem erklärt habe, die fundamentalen Daten der Wirtschaft seien in Ordnung, dass er für Deregulierung gesprochen habe, beweise, dass er "out of touch" sei. Palin verteidigt den republikanischen Präsidentschaftsbewerber umgehend: Der habe sich dabei nur auf die Arbeitskraft bezogen. Sie greift die Wall Street an: "Es gab Gier und Korruption".
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wenn man schon gewisse schwächen hat, weniger politische erfahrungen hat, als sein konkurrent, dann offensiv dazu stehen und entwaffnend die eigene schwäche als stärke verkaufen. hockey-mom = volksnähe
+++ Palin, die Hockey Mom +++
[3.11 Uhr] Palin erklärt, wo man am besten spürt, wie die Amerikaner über die wirtschaftliche Lage denken: beim Fußball der Kinder. Sie setzt auf ihre Stärken: Ich bin eine von Euch, will sie sagen, eine "Hockey Mom", Joe Sixpack, Max Mustermann.
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mal schauen, was passiert, wenn man palin vor augen hält, dass die politischen ziele mccain's nicht immer mit jenen palin's übereinstimmen.
+++ Energie ist das Thema: Biden sucht Unstimmigkeiten zwischen McCain und Palin +++
[3.33 Uhr] Biden versucht einen Keil, zwischen Palin und McCain zu treiben. McCain wolle Ölfirmen in Alaska steuerlich begünstigen, die Gouverneurin des Staates, Palin, diese dagegen mehr belasten. "Unabhängigkeit in Energiefragen ist der Schlüssel zu Amerikas Zukunft", sagt Palin. Da kann der Senator zustimmen.
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palin profitierte davon, dass die antwortzeiten auf die fragen - im vergleich zu den präsidentschaftskandidaten - verkürzt wurden. wenn man weniger sagen muss, kann man die antworten besser antrainieren und auf der trainingsranch auswendig lernen.
+++ Palin schlägt sich achtbar +++
[3.38 Uhr] Erste Bilanz: Palin strauchelt nicht, spricht flüssig, wirft mit Zahlen um sich, widerspricht Biden. Es wirkt allerdings oft antrainiert - das Debatten-Camp auf der Ranch von John McCain scheint Wirkung zu zeigen.
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+++ Wer ist Schuld am Klimawandel? +++
[3.40 Uhr] Thema Klimawandel. Palin behauptet, der Klimawandel sei nicht nur von den Menschen verursacht, sondern auch in zyklischen Temperaturschwankungen begründet. Biden schüttelt den Kopf: "Wenn Sie die Ursachen nicht verstehen, können Sie keine Lösung anbieten."
nicht alle fragen, resp. deren antworten schienen auf der ranch antrainiert worden zu sein.
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wer in bibliotheken gewisse bücher verbieten will, wer aufklärungsunterricht in schulen verbieten will, wer bezüglich sexualität als erz-konservativ gilt, der muss offener eingestellten wählern in zumindest einem punkt ein kleines türchen öffnen, um zu zeigen, auch palin geht - zumindest teilweise - mit der zeit.
+++ Homo-Ehe: "Schön, dass Sie beide sich mal einig sind" +++
[3.45 Uhr] Sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften das Recht auf Vergünstigungen haben - wie Ehepaare auch? Biden bejaht. Palin schickt erst einmal voraus, dass sie sehr tolerant sei. Sie stimmt Biden zu, betont aber, dass sie niemals gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit der traditionellen Ehe gleichsetzen würde. Das würde Biden auch nicht. "Schön, dass Sie sich einig sind", sagt Moderatorin Ifill.
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in der aussenpolitik bewies die vize-kandidatin bisher wenig kenntnisse. den grössten patzer leistete sie sich - nebst schnitzern zum thema irak und afghanistan - im bisherigen wahlkampf mit der aussage, sie könne von alaska aus russland sehen. dem aussenpolitischen aspekt war im trainingscamp am meisten beachtung beigemessen worden. und wenn man schon so viel auswendig gelernt hat, so will man dies in dieser sendung auch zeigen.
+++ Wie geht es weiter im Irak? +++
[3.55 Uhr] Der Irak-Krieg betrifft beide Redner persönlich. Ihre Söhne stehen vor einem Einsatz im Kriegsgebiet. Doch zum Thema machen sie diese Tatsache nicht.
Palin wirft Biden erst einmal vor, er habe für den Krieg gestimmt, während Obama immer dagegen gewesen sei. Er hatte damals allerdings auch nicht abzustimmen. "Wir werden diesen Krieg beenden", stellt Biden klar, der dem Außenausschuss des Senats vorsitzt. Mit McCain gehe der Krieg weiter. Palin unterstellt Obama/Biden, die weiße Flagge der Kapitulation zu schwenken. Der Krieg sei vorbei, wenn der Irak sich selbst regieren könnte - wann es soweit ist, müssten die Militärs vor Ort entscheiden. Sie wirft Obama vor, die Truppen nicht ausreichend zu unterstützen. Palin hat sich auf ihr Krisenthema gut vorbereitet und sie will alles loswerden, was sie gelernt hat: "Ich würde gern noch was zu Afghanistan sagen."

+++ Iran: Reden oder nicht +++
[4.00 Uhr] Palin warnt vor Nachgiebigkeit gegenüber Iran. Sie kritisiert scharf, dass Obama mit politischen Führern von Ländern wie Iran oder Venezuela sprechen will. Diese Regierungen hassen die USA, sagt Palin. Biden erwidert, man müsse immer alle diplomatischen Mittel ausschöpfen.
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viele trauen palin nicht zu, im falle eines ablebens von john mccain den staat kompetent zu führen. nur wie will man als moderatorin das "was wenn mccain stirbt" unauffällig thematisieren?
+++ Nur ein Herzschlag vom Präsidentenamt +++
[4.15 Uhr] Was passiert eigentlich, wenn der Präsident stirbt? Dann muss der Vize übernehmen. John McCain ist schon 72 - wäre die unerfahrene Sarah Palin bereit? Moderatorin Ifill wirft die Frage auf, ohne die Gefahr eines Ablebens von McCain zum Thema zu machen: Wie würde sich eine Biden-Regierung von einer Obama-Regierung unterscheiden? Gott bewahre, es möge nie passieren, sagt Biden betroffen. Aber er würde Obamas Politik fortführen. Palin erklärt recht trocken, dass auch sie die gute Arbeit ihres Präsidenten fortsetzen würde.
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am besten kann man die vorurteile gegenüber der eigenen person entkräften, wenn man so auftritt, wie es der gegner - den vorurteilen entsprechend - nicht erwartet. biden vermied zu lange, zu ausschweifend zu dozieren, palin versuchte auswendig gelernte kenntnisse als eigenes wissen zu verkaufen.
+++ Disziplin und Erfahrung +++
[4.23 Uhr] Die Kandidaten sprechen über ihre angeblichen Schwächen: Ist Joe Biden manchmal undisziplinert? Ist Sarah Palin zu unerfahren?
Bidens bester Beweis, dass er sich selbst disziplinieren kann, ist sein Auftritt. Wenn Palin ihn attackiert, wehrt er sich - aber ohne Palin zu attackieren. "ich bin 35 Jahre im geschäft, ich werde mich nicht ändern", sagt Biden. Er spricht von Leidenschaft. Palin spricht einmal mehr von ihrer Erfahrung als Gouverneurin in Alsaka.
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was tun, wenn man wählerstimmen der unentschlossenen mitte abholen will? betonen, dass der eigene kandidat sich nicht von einer parteidisziplin unterordnen lässt und glauben machen, dass er hie und da auch ihre interessen vertreten wird.
+++ McCain ein Maverick? "Er ist kein Maverick!" +++
[4.25 Uhr] John McCain, der Maverick, der Einzelgänger, der sich nicht der Parteidisziplin unterordnet. Immer wieder bemüht Palin dieses Bild. Am Ende reicht es Joe Biden. Nein, John McCain sei kein Maverick, nicht in der Bildungspolitik, nicht in Kriegsfragen. "Nein, er ist kein Maverick", beharrt Biden.
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mit den medien muss man auskommen, auch wenn sie nicht auf derselben seite stehen, auch wenn sie einem angreifen oder einem in ein unvorteilhaftes licht rücken. die medien zu stark zu kritisieren kann sich negativ auf die eigenen wahlchancen auswirken. denn medienvertreter gehören nicht zu jenen menschen, die mit kritik am besten umgehen können. kritik an ihnen kann sich schnell in unvorteilhaften berichten niederschlagen.
+++ Palins Abschluss-Statement: Sie greift die Medien an +++
[4.30 Uhr] 90 Minuten sind schon um. Beide habe die Chance zum Schluss-Statement: Palin forsch mit einem Lächeln im Gesicht, wie die meiste Zeit, sie blickt geradeaus in die Kamera. Dann attackiert sie die "Mainstream-Medien". Sie bevorzuge, ungefiltert zum Volk zu sprechen und wünsche sich noch mehr Debatten wie diese. So erinnert sie selbst an ihre peinlichen Interview-Ausschnitte der letzten Tage. Ob das clever war am Ende der Show, fragen die Kollegen der "New York Times". Noch einmal skizziert sie sich und McCain als die Kandidaten der Druchschnitts-Amerikaner. Es gebe nur einen in diesem Rennen, der immer für die Menschen gekämpft habe.
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im zusammenhang mit der finanzkrise darf man nicht als vertreter der manager, der absahner, der spekulanten, der oberklasse wahrgenommen werden. dies hat palin erkannt. also möglichst betonen, dass man vertreter des volkes, des einfachen bürgers ist. dies muss auch biden betonen, obwohl man ihm dies sowieso schon eher abnimmt .
+++ Bidens Schlussworte: Emotional - zum ersten Mal +++
[4.30 Uhr] Joe Biden ist dran: "Unser Land befindet sich in einem tiefen Loch", sagt Obamas Nummer zwei. Er meint nicht nur die Wirtschaft sondern auch die Glaubwürdigkeit der USA im Ausland - und seine Stimme klingt so düster wie die Diagnose. Dann stellt auch er sich und Obama auf die Seite der kleinen Leute. Es ist vielleicht sein stärkster Moment, sein emotionalster, vorher wirkt er oft recht kühl. Es komme nicht darauf an, wie gut es den Managern gehe oder wieviel Steuern Ölfirmen wie Exxon Mobile zu zahlen hätten. Es komme darauf an, ob jemand seine Kinder aufs College schicken könne. Als emotionales Finale zitiert er seinen Vater: "Champ, wenn du umgehauen wirst, steh wieder auf." Nun sei es an der Zeit für Amerika, gemeinsam wiederaufzustehen.
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und wie in amerika in wahlkämpfen üblich, muss die familie noch mit aufs bild. gefühle, emotionen, nichts wirkt besser, als wenn man umgeben ist von familie und verwandtschaft. wenn noch kinder dabei sind, umso besser.
+++ Finale mit Familie +++
[4.33 Uhr] Die Duellanten kommen hinter den Pulten hervor, Applaus, sie geben sich die Hand, bedanken sich freundlich, gehen zur Moderatorin. Dann kommen die Familien der beiden auf die Bühne, man reicht sich die Hände, Smalltalk. Nun schlägt die Stunde der spin doctors.
Palin hat sich ordentlich geschlagen, sie wirkte selbstbewusst, am Ende zufrieden. Sie kommt unbeschadet aus der Debatte. Weil sie gut vorbereitet war, bleibt die schon herbeigeredete Blamage aus. Reicht das? Joe Biden gab sich keine Blöße, er tappte nicht in die Falle, sie herablassend zu behandeln, konzentrierte sich darauf, McCain zu attackieren.

das duell palin vs biden anschauen:
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Das ganze TV-Duell Palin vs Biden (auch ausschnitte anwählbar)
spiegel-online über das duell
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über den amerikanischen wahlkampf:
Sarah Palin's Nachhilfeunterricht (Karikatur)
Palin's Family-Management (Flowchart-Grafik)
Video: Konservative Kommentatoren über Palin (dachten, Mikrofon sei ausgeschaltet)
Fotos: Obama vor dem 1. TV-Duell

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